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Weltsicht und Engagement einer Bonner Malerin

Margarete Loviscach

Die Künstlerin Margarete Loviscach hat ihrem inneren Auftrag entsprechend höchst gesellschaftskritisch gearbeitet, gezeichnet und gemalt. Dies ist keine Unterstellung, sondern schon durch ihr politisches Engagement begründet. Bereits während ihres Studiums an der Kunstgewerbeschule in Wuppertal protestierte sie gegen das NS-Regime, als der Akademieprofessor Wiethüchter ausgeschlossen wurde. Mit ebenso empörten Gleichgesinnten verließ sie die Schule. Zweifellos ein gefährlicher und mutiger Schritt.

In ihrer aktivsten Zeit hatte sie die Beueler SPD mitgeprägt, die im Ruf stand, eine Spur linkslastig zu sein. Bedauerlicherweise sind von Margarete Loviscach, der Kommunalpolitikerin, keine Schriften und Anträge einzusehen, was eine erhebliche Lücke in ihrem Gesamtbild darstellt. Dies mag an der Raumordnung 1969 liegen, als die Städte Bad Godesberg und Beuel nach Bonn eingemeindet wurden und die nun zentralisierten Archive bis heute kaum zugänglich sind. Dennoch ist ihr Einfluß unverkennbar, sie war äußerst beliebt in den Kreisen ihrer Schülerinnen und Schüler, denn aus den langen Jahren ihrer Tätigkeit als Kunsterzieherin am Heinrich-Hertz-Gymnasium erinnern sich noch unzählige Ehemalige an ihre Lehrerin.

Auch Horst Rave, zunächst ihr Schüler, später ihr Lebensgefährte, hatte von ihrer pädagogischen Fähigkeit und ihren Überzeugungen profitiert. Was jedoch bei Gabriele Münter & Wassily Kandinsky, Charlotte Berend-Corinth & Lovis Corinth und anderen Paaren als völlig akzeptabel galt – ein Lehrer-Schülerverhältnis mit großem Alters­unterschied – das war für Margarete Loviscach vermutlich problematisch, sicher auch ein Grund für ihren Rückzug.

Nach seinem Kunststudium förderte sie zweifellos das weitere Fortkommen Horst Raves durch verschiedene Kontakte u.a. zur Organisation der Jahresausstellungen Bonner Künstler im Rheinischen Landesmuseum, wo sie 1974 auch selber beteiligt war. Über diese Schiene kam Anfang der 1970er Jahre auch der Kontakt zur neu gegründeten Galerie Circulus und deren Umfeld zustande.

Die Pädagogik ließ sie noch nicht los: Mit der überlebensgroßen starkfarbigen Figur der Sokrates-Gemahlin „Xanthippe“ ihrer Kunst-AG vom Heinrich-Hertz-Gymnasium bereicherte sie das Kanzlerfest 1978 enorm. Dessen Thema lautete: „Heiteres Philosophikum“…

Auch die Frauenbewegung ab 1970 ließ sie nicht unberührt. Sie war nicht nur Mitglied im Bonner Kunstverein, der Bonner Künstlergruppe und Gründungsmitglied der Gesellschaft für Kunst und Gestaltung samt Gruppe Panda, sie engagierte sich auch in den ersten Jahren für das Frauenmuseum. Gerade der Anfang ist das Wichtigste beim Aufbau einer umkämpften Institution.

Ihre Einzelausstellung Passanten 1983 im Museum der Frauen wurde viel besprochen und immer wieder zitiert. Ihre Zeichnungen trafen den Nerv der Zeit. Individuen, anonym und doch jedes persönlich durch sein Schicksal im wahrsten Sinne des Wortes gezeichnet, tauchen aus nebulöser Atmosphäre auf. Den Menschen auf der Beueler Brücke widmete sie ganze Werkfolgen. Die Betonung der Beziehungslosigkeit der Menschen untereinander läßt auf die Trauer schließen, die sie in sich selbst verschlossen hatte. Sie hatte die NS-Zeit, Kriegsfolgen, Ängste, Not und Verunsicherung zu verkraften, und, als ob das nicht schon genug an Schmerz gewesen wäre, zusätzlich den plötzlichen Tod ihres Mannes.

Sie beteiligte sich bewußt an bestimmten Gruppenausstellungen im Frauenmuseum, u.a. am Projekt Erotik 1986. Insbesondere ihre Bilder mit den aus den Himmeln stürzenden nackten Männern lösten selbstredend einige Spekulationen aus, sie verstörten viele, die sich mehr Harmonie und Zärtlichkeit von den Künstlerinnen gewünscht hätten. Daß sie mit Bildern von Gewalt bis zu Haß und Tod konfrontiert würden, das hatte das Publikum nicht erwartet.

1995 stellte Margarete Loviscach ihre Bilder (mit Horst Rave) in der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta aus, sicher keine heile Welt, doch etwas, das für die Inhaftierten Verständnis und Mut bedeutet hat.

Dieses Beispiel zeigt, daß Margarete Loviscach sich nicht vereinnahmen ließ von Hoffnungslosigkeit und der Gewißheit um die wachsende Gewalt.

Die Aktivitäten der Gruppe Panda – sie und Horst Rave – setzte für lange Zeit neue Energien frei, die Lust auf Farbe und ganz andere Geschichten von Leuten und Gebäuden im ganz unterschiedlichen Licht. Wir sehen die Seurat-Variationen, die Rheinlandschaften und das Bonner Stadthaus in der Sonne oder umwölkt, so wie sie beide es von der Beueler Seite aus sahen. Jenseits der Brücke.

Indem mir beide – Künstlerin und Künstler – wohl bekannt sind, ihr Werk und ihre Stärken, möchte ich zum Schluß anmerken, daß die Panda-Werke doch ganz entscheidend von Margarete Loviscach geprägt sind. Doch nie hätte sie einen Schüler zurücklassen können…

Marianne Pitzen, Katalog „Margarete Loviscach 1913 – 1999“, hrsg. von der Horst Rave Stiftung, Bonn 2011, S. 3 / 4.